Discovering Intervales

Als in der schwarzen Dunkelheit mein Handtelefon sein zartes Morningflower-Liedchen vor sich hin klimpert, fehlt es mir kurz an der Orientierung. Wer bin ich, wo und wie viele? Über mir ein vollgekritzeltes Lattenrost, ich in Kapuzenjacke - praktisch in voller Montur. Dann dämmert es: "Ach, Dschungel!". Ich kann mich kaum erinnern, mich in dieses Bett gelegt zu haben. Vermutlich bin ich sofort in einen komatösen Schlaf gefallen. Der einzige Lichtschalter ist praktisch kilometerweit entfernt. Also funzle ich mich mit der Smartphone-Leuchte zum Sanitär-Bereich. Frisch machen für den Urwald.

Da, wo gestern noch ein lauwarmer Strahl aus der Duschkopfmaschine an der Wand sprenkelte, pullert mich heute nur ein kaltes Rinnsal an. Am offenen Fenster, bei regnerischen 12 ° Celsius macht das wirkungsvoll munter. Ein Blick in die Kloschüssel: keine Anaconda. Unter der Brille: keine Vogelspinne. Trotzdem "finche" ich mich erfolgreich durch die Reise. Wem sich an dieser Stelle der Witz nicht erschließt, der schaue "American Pie" und achte dort auf die Figur namens "Paul Finch". Nach dem Duschen kommt das NoBite zum Einsatz. Der Sprühnebel verteilt sich im ganzen Raum. Die Luft schmeckt bitter. Das sollte reichen. Über die frisch vergiftete Haut kommt die Regenkluft. Dann schleiche ich mich hinaus, um noch ein paar Minuten den Dschungel für mich alleine zu genießen. Ich komme gar nicht weit, als ich das erste Mal mit offenem Mund stehen bleibe.

Foto: Garfield72

Kolibris und bunte Vögel

Im Flaschenbürstenbaum vor der Pousada Onca Pintada summt, brummt und zetert es. Winzige Vögel schwirren in nicht nachvollziehbarer Geschwindigkeit von Blüte zu Blüte. Stehen dann ruckartig auf der Stelle in der Luft, um den Nektar zu tanken. Dabei machen sie Geräusche wie überdimensionierte Hummeln. Ich habe fast Pippi in den Augen, als ich realisiere, dass ich am frühen morgen vor einem Baum voller Kolibris stehe. Der Versuch die Tiere zu fotografieren, glückt nur mäßig. Das Licht ist mies und die Motivation, das alles lieber mit den eigenen Augen zu betrachten, viel größer. Die gelungenen Fotos, die oben zu sehen sind, stammen aus der Fotoflinte von Garfield72 und ich bin sehr froh, diese hier zeigen zu dürfen. DANKE JENS!

GC47GZH: Tapir Forest - mein erster eigener Brasilianer

Nur schwer kann ich mich von den kleinen Flattermännern losreißen. Noch ist es still im Park. Ich will versuchen, mein erstes eigenes und ganz privates "Found it" auf brasilianischem Boden zu verzeichnen. Das L4C zeigt den "Tapir Forest" in unmittelbarer Nähe. Ein schmaler Pfad führt direkt ins Dickicht. Das gemütliche und ruhesuchende Schlendern durch das satte Grün ist jedoch nur von kurzer Dauer. Lautstark knackend, sabbelnd und polternd holt mich die Gruppenreise in die Realität zurück. Ich habe nun einen unentwegt schwatzenden Begleiter. Er stellt Fragen, dessen Antworten ihn nicht interessieren und schwadroniert vor sich hin, wo der Cache zu finden sei. Ich schaue auf mein lumpiges iPhone und folge lieber meiner Karte. "Fund!" Unter einem großen Stein befindet sich das Objekt der Begierde. Natürlich pappt auch hier der Team LSD Kleber schon im Logbuch, aber ich freu mich. Schon bald grabscht mein Begleiter gierig nach dem Cache. Wenigstens ist er mir beim Beweisfoto behilflich. Stolz setze ich meine Field Note.

Brasilianisches Frühstück und das Höhlendrama

Beim Frühstück sehe ich endlich die Jungs wieder. Geschlafen haben alle gut, die Laune ist entsprechend blendend. Das lange Buffet wartet bereits aufgebaut auf die hungrigen Europäer. Der Kaffee aus den schnaufenden Thermoskannen schmeckt gut. Aber das Beste ist die große Kanne mit dem frisch gepressten Saft. In Brasilien scheint Kuchen wirklich essentiell zu sein. Etwa 5 Meter des Buffets sind ausschließlich satten Brownies, bunten Teilchen und anderen buttrigen Backwaren gewidmet. Wie so oft auf Reisen erinnere ich mich prompt an die "100 Meisterwerke von Stenkelfeld: Der Buffet-Teller". Wahre Baumeister befinden sich auch in unserer Reisegruppe. Der Besitzer der Kantine geht regelmäßig mit einem großen Backblech durch die Reihen. Darauf befinden sich riesige Brötchen, heiß und so fluffy, dass diese beim Aufschneiden in sich zusammenfallen. Ich frage die mich betreuenden Männer zum dritten Mal, ob ich meine Malaria-Tablette schon genommen habe. "Jaaahhaa!", tönt es dreistimmig zurück. Schön, wenn sich jemand um die Senilen hier kümmert!

Nachdem Frühstück wird es noch einmal chaotisch. Wurden am Vorabend weitere Personen für die Höhlen-Tour zur Gruta do Fendão rekrutiert, so sind wir laut heutigem Stand zu viele. Die Auslosung wer, wann und mit wem zu Höhle aufbrechen wird, verläuft unkoordiniert. Die Stimmung ist bombastisch, einer der Reiseleiter scheint eingeschnappt. Draußen wartet das Abenteuer, in der Kantine warten mal wieder wir. Erst gegen 11 Uhr steht ein brauchbares Konzept, so dass wir endlich die Helme abholen können - dann geht es auch schon fast los... Nein, hier nochmal ein Formular für alle. Da schon am frühen Nachmittag das BBQ-Event angesetzt ist, kommen mir erste Zweifel, den Besuch beim Last A.P.E. noch persönlich zu schaffen.

Wanderung zur Gruta do Fendão

Die Höhlengruppe setzt sich in Bewegung. In unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufend, bildet sich eine bunte Kette Homosapiens. Erst geht es auf breiten Wegen durch den Park. Dann endlich biegen wir in einen der schmaleren Trails ein. Vorneweg der Guide mit der Machete. Wir als Schlußlichter haben ebenfalls einen Guide. Er passt auf, dass wir nicht gänzlich verloren gehen. Leider ist auch hier eine Verständigung kaum möglich. Mit Hilfe der Übersetzungs-App erfahre ich, dass es hier teorethisch zahlreiche Primaten geben würde. Der Geräuschpegel, den über ein dutzend Geocacher beim Geniesen der Natur erzeugen, belässt es leider bei der Theorie. Zu sehen, gibt es trotzdem genug. Die Vegetation ist unglaublich üppig. Es riecht zumindest hin und wieder wie im Affenkäfig und wir finden frische Spuren. Vom Tapir bekommen wir ebenfalls nur die Fährte zu Gesicht. Außerdem liegt im Dschungel hin und wieder einen Cache. Beim GC6JFEX reicht es sogar noch für einen Team-FTF. Die Gruppe freut sich, besonders weil Publish der Dose schon am 25.05.2016 war.

Wir erreichen den Eingang der Höhle nicht wie geplant nach einer, sondern erst nach 2 Stunden. Wanderschuhe werden gegen höhlentaugliche Bereifung wie Neoprenschuhe oder Sandalen getauscht. Etwa kniehoch sei das Wasser, beschreibt einer der Guides. Da er nur circa 1,50 Meter groß ist, bin ich ganz optimistisch. Nach etwas Abstand zur bereits losmarschierten Gruppe, begeben auch wir uns zum Eingang der Grotte. Schon nach kurzem Weg tut sich ein breiter Spalt in der Erde auf. Der vorangehende Guide hat sich repräsentativ eine der langbeinigen Spinnen vom Eingang gefischt. Wirklich niedlich! Und sexy, die endlos langen Beine, die da aus dem dreieckigen Körper ragen.

Daddy Longleg / Foto: icke2063
Daddy Longleg / Foto: icke2063

Nach leichter Felskletterei hinab ins Innere der Erde kommt es zum ersten Wasserkontakt. Erfrischend ist geschmeichelt und kniehoch ist auch bei jedem anders. Tapfer waten und kraxeln wir. Dem Schein der Kopflampe folgend, breiten sich riesige Höhlenräume aus. Mal sind die Wände glatt und ziehen sich in großen Platten bis zur Decke, mal gibt es kleine Lichtlöcher bis zum Urwaldboden. An anderen Stellen sehen die Ablagerungen aus, wie der Bart von Davy Jones, dem Tintenfisch Captain der Flying Dutchman aus Fluch der Karibik. Das Staunen gilt sowohl der Höhle, als auch dem Weg, den wir zurück legen. Wer gerne kraxelt und kriecht findet hier seinen Spielplatz. Große Hallen wechseln sich ab mit tiefen, schmalen Gängen. Für die großen unter uns geht es oft schon in den gewässerten Vierfüsslergang, so dass kaltes Wasser auch an den Armen bis zu den Knien reicht. Beim Waten ist neben Staunen durchaus Konzentration gefordert. Der Fels ist sehr scharfkantig. An wenigen Stellen gibt es jedoch speziell für Frauen formschöne Haltegriffe in Phallusform. Es fällt auf, dass daran tatsächlich nur die Mädels Halt suchen, hin und wieder mit beiden Händen.

Weil wir gerade dabei sind: kommen wir zum Höhepunkt der Höhle. In der Nähe des Ausganges stürzt das Wasser über die Steine, durch ein schmales Loch nach unten. Das schmale Loch wird unser Tor nach Draußen sein. Je nach Körpergröße kommt man dabei in unterschiedlicher Intensität mit dem kalten Wasser in Berührung. Kurz: ich bin patschnass aber überglücklich. Ich habe überall durchgepasst und hatte riesig Spaß. Der Besuch der Höhle hat sich definitiv gelohnt. Herrn Muffmuff darf ich davon wohl nicht berichten. Das hätte ihm sicher auch gut gefallen.

 

Kleiner Hinweis zur Berichterstattung: Bilder habe ich in der Höhle nicht gemacht. Zur Verfügung gestellt wurden mir die Motive vom Tampa67 und hauptsächlich von icke2063.

Höhlenbier? Na klar!

Kurz nach dem eindrucksvollen Erlebnis in der Grotte stehen mehr als 10 Geocacher in Schlüppern im Urwald. Trockene Wechselkleidung haben zum Glück alle dabei. Noch bevor wir wieder warm und trocken verhüllt sind, wird gegen die drohende Dehybierung der Sachsen vorgegangen. Das gleichzeitige Umziehen, Bier trinken und Bedienen eines Bluetooth Selfiesticks überschreitet jedoch bisweilen die Multitaskingfähigkeiten. Aus einem Selfi wird dann das wesentlich modernere Helfie. Danke an den Auslöser.

Dann tun wir gut daran, den Heimweg anzutreten. Schließlich haben wir die geplante Zeit längst überschritten, wollen noch zum A.P.E. und dann ist auch noch das Event mit dem BBQ. Der Rückweg ist wesentlich weniger beschwerlich, dafür um so länger. Erst ganze 2 Stunden später erreichen wir die ersten Lodges im Camp. Dort erlebt auch der Werkstroll sein erstes eigenes "Found it" in Brasilien, gleich neben diesem Falter.

Im Camp angekommen erfahren wir, dass das BBQ vorgezogen wurde und genau jetzt in dem Moment schon stattfindet. Mit A.P.E. wird dann heute wohl nix. Wenigstens schaffen wir es, die nassen Klamotten aufzuhängen, zu duschen und... natürlich: noch ein Bierchen auf der Terasse der Pica Pau Bewohner zu schlürfen.

Event? Nee, geilste Dschungelparty ever!

Dick eingepackt in Hoodie und Regenjacke schlendere ich zusammen mit eugenkrf, El-Capitano, BrunoX, Lennert87 und dem Werkstroll schwer verspätet zum Campground am Lago Nuovo. Die Hütte vor Ort ist mit der brasilianischen Flagge geschmückt und bereits gut mit Cachern gefüllt. In die Hütte hinein, kommt man nur über eine herzliche Umarmung durch Eluane de Luca. Eluane ist die Frau von Tadeu. Die beiden sind ebenfalls Geocacher. Soweit ich weiß, haben Sie auf einem der letzten größeren Events in Deutschland beschlossen, uns ein echtes brasilianisches BBQ zu bereiten, wenn wir hier im Camp sind. Und genau so sieht es aus. Tadeu füttert gerade den Grill mit einer neuen Ladung Kohle. Das Rost ist schwer belegt mit Steaks, Filets und Spießen voller Hähnchenherzen. Das Wort "Vegetarier" scheint in Brasilien nicht zu existieren. Ich nehme an dieser Stelle die Gastfreundschaft gerne an und genieße das köstlich marinierte und perfekt gegrillte Stück Fleisch.

Nicht nur Fleisch ist in rauhen Mengen verfügbar, sondern auch die Bar ist reichlich gefüllt. Das Bier scheint an diesem Abend nie auszugehen. Immer wenn man traurig und sparsam an der vermeintlich letzten Dose nippt, taucht von irgendwo ein neuer Vorrat auf. Ich glaube das erste und einzige Mal während der Reise komme ich dazu, mit vielen anderen Teilnehmer wenigstens kurz Konversation zu betreiben. Ich begrabe das Kriegsbeil zum Zimmerfiasko zwischen mir und Sven. Zudem verbessern sich meine Fremdsprachen-Kenntnisse zusehens - so die einhellige Meinung der Jungs. Tadeu und Eluane hatten Caipirinhas versprochen. Nach dem Essen werden die ersten Limetten mit dem Rohrzucker verstampft, großzügig mit Cachaça aufgegossen und mit EINEM Eiswürfel versehen. Das ist schon ein Unterschied zu den verwässerten Cocktails, die man in Deutschland erhält. Leider gehen beizeiten die Limetten aus, dann der Zucker und das Eis. Um den morgigen Tag nicht gänzlich zu versauen, verzichte ich ab sofort lieber auf den stark vereinfachten Caipi.

 

Zwischendurch verschwinden Lennert87 und der Werkstroll klammheimlich ins Dunkel des Regenwaldes, um den einzigen dort vorhandenen T5 zu absolvieren. Jeder, der mich kennt weiß: Miese Nummer! Schämt Euch. ;-)

Der Abend hat eine seltsame Zeitrechnung. Erst ist es stundenlang etwa viertel nach Sieben und plötzlich steht der Zeiger kurz vor Geisterstunde. Tadeu flambiert gerade noch Eluanes Geburtstagstorte mit Cachaça, dann heißt es gemeinsam aufräumen. Ich habe lange nicht so viel gelacht, wie an diesem Abend am Lago Nuovo.

Beware of Rolling Geocachers...

Bis sich wirklich jeder auf den Weg zu seiner Logde macht, verquatschen wir ins noch an Tadeus Auto, es gibt noch ein letztes Bierchen. Werkstroll und Lennert bringen mich "nach Hause". Herr und Frau RebDeb sind der Meinung, schon an der nächsten Kreuzung abbiegen zu müssen. Keiner widerspricht.

 

Ich bin längst in meinem Zimmer. Im Sanitärbereich zweifle ich gerade an mir selbst, da ich noch immer eine Dose Cerveja in den Händen halte. In diesem Augenblick wandert vor meinem stets offenen Fenster eine mir bekannte rote Regenjacke durch das Camp. Werkstroll und Lennert. Ich mache mich bemerkbar. Lennert kommt an mein Badezimmerfenster und erzählt mir, dass soeben Herr RebDeb rückwärts den Weg herunter gerollert sei. Die beiden haben sich im Camp verlaufen. Und weil ich gute Jungs an meiner Seite habe, ist in dieser Nacht auch die RebDeb Kombo sicher in der eigenen Lodge angekommen.

 

Nun schütte ich den letzten Rest des Hopfengetränkes in dem Ausguß. Ich hoffe, der sehr lustige Abend bescheert mir keinen bösen Kater am nächsten Tag. Dieses Mal schlafe ich nicht so gut. In Erinnerung an den Tag, der hinter mir liegt, muss ich noch einige Male grinsen - alleine in meinem Doppelstockbettchen.

 

PS: Ihr könnt auf die Bilder klicken bzw. tippen, um diese zu vergrößern und die Untertitel zu lesen.

 

Morgen A.P.E. -  na schauen wir mal. Gute Nacht.



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Kommentare: 1
  • #1

    eugenkrf (Dienstag, 11 Oktober 2016 21:37)

    Interessant wie du den Tag erlebt hast.
    Ich war mit El-Capitano, Manwe, icke2063 und Lunkelbaer vor dem Frühstück schon beim A.P.E. Cache. Wir Verrückten sind so gegen 6 Uhr aufgebrochen. Dabei sind wir Teile des Weges mehrmals gelaufen. Erst hat El-Capitano sein Handy vermisst, was wir erfolglos suchten (...fand El-Capitano später unter seinem Bett). Dann hatte ich noch meine Sonnenbrille verloren, die wir ca. 160 m vor dem A.P.E. Cache im Gestrüpp gefunden hatten. Alle "Mann" sind gefüllt 2-3 mal daran vorbei gelaufen. :-) Der Rest des Tages passt mit deinen Erinnerungen.