Paraguay, ITAIPU and a long way home

Und wieder spielt mir die Zeitumstellung einen Streich. Pünktlich 4 Uhr morgens ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht ausgelastet genug in den letzten Tagen. Oder ist es jetzt schon die Sorge darüber, die richtige Aufteilung der Dinge zwischen Koffer und Handgepäck zu finden? Man hat gelernt in 5 Tagen - frische Kleidung plus Feuchttuchdusche auf dem Rastplatzklo vollbringen wahre Wunder.

So krame ich die verbleibende Zeit bis zum Frühstück das Gepäck hin und her. Kaum zu glauben, dass der LSD-Trip schon bald Zuende sein wird. War jedenfalls ein krasser Stoff, den ich nur weiter empfehlen kann. Inzwischen wiegt das Handgepäck wieder genauso viel wie der Koffer. Ich kann also beruhigt zu meinen Lieblingsjungs in den Frühstücksraum traben. Nach einem gemütlichen Käffchen, heißt es Abschied nehmen vom "National Inn". Das Check out an der Rezeption ist wie immer freundlich und unkompliziert. Für die nächsten Besucher der Cataratas do Iguaçu kann ich diese Herberge guten Gewissens weiter empfehlen. Toller Service, die Zimmer sind in Ordnung und man ist überall nah dran.

 

Nun sitzen wir in der Lobby und warten auf die Abfahrt. Ein paar schreiben noch hektisch Postkarten. Bald darauf biegt unser gelber Bus in die Hoteleinfahrt, Koffer werden verladen, Sitzplätze ergattert. Wir rumpeln los in Richtung Paraguay. Noch einmal queren wir die Innenstadt Foz do Iguaçu. Dort gibt es übrigens ein Tetris-Hotel, welches aus bunt aufeinander gestapelten Überseecontainern besteht. Sieht von außen lustig aus - ob es bewohnbar ist, zweifle ich schon aufgrund der fehlenden Fenster. Auf der Website sieht es ganz passabel aus: http://tetrishostel.com.br/.

Auf unserer Fahrt zur Grenze wird das Umfeld rasch weniger touristisch und glamourös. Vor den Fahrkünsten der Busfahrer ziehe ich den Hut, denn bei dem Gewimmel möchte ich nicht einmal einen Smart durch die Gassen manövrieren. Tief gezogenen Vordächer oder die Ladeflächen von LKWs sind oft beunruhigend na am Busfenster. An einer wenig einladenden Straßenecke hält der Bus. 33 Leute blockieren nun den Fußweg für eine kurze Paraguay-Anleitung seitens der Reiseleiter. Von hier an geht es zu Fuß über die Grenze. Im vorbildlichen Gänsemarsch setzt sich die Truppe in Bewegung. Die Aufmerksamkeit ist nun auf dem höchsten Level. Der Verkehr am Grenzübergang gleicht einem Ameisenhaufen. Es wimmelt von gelben Moped-Taxen zwischen rußenden LKWs und abgeranzten Bussen. Alle finden ihre Schneiße, alle fahren einfach durch.

 

Ein Grenzübertritt von Brasilien nach Paraguay scheint also eine unbürokratische und schnelle Sache zu ein.

33 Geocacher an der Grenze zu Paraguay

Wie gesagt alle fahren und laufen durch. Aber was ist mit dem Stempel im Reisepass? Darauf möchte in der Gruppe keiner verzichten. Der Grenzpolizist schaut uns an, als kämen wir vom Mond, erklärt dann aber freundlich die Modalitäten und Umstände, die ein Stempel im Pass mit sich bringen. So ist zum Beispiel unsere Ein- und Ausreisekarte, die wir mühsam für das Land Brasilien ausgefüllt haben, hinfällig. Die wird einkassiert, ist futsch und muss neu ausgefüllt werden. Und das dauert. 33 Geocacher stellen sich an zwei Grenzschaltern an. Ich frage mich, wann die Beamten am Schalter das letzte Mal eine derartige Invasion in ihren Räumen erlebt haben. Vielleicht im Mai, als die letzte A.P.E.-Truppe hier durchgerauscht ist? Wenig begeistert und mit unbewegten Minen klopfen sie Stempel in die roten Büchlein. Luft anhalten - nein der "Last APE" bleibt unbemerkt! Puh! Darunter gibt es außergewöhnlich schwungvolle Unterschriften. Vorm Gebäude trifft man sich zur Befüllung des neuen Formulars. Fast eine Stunde ist um. Wir sind gerade mal aus Brasilien ausgereist.

Weiter geht es im Gänsemarsch über die atemwegsgefährdende Freundschaftsbrücke, welche auf einer Gesamtlänge von 552 Metern über den Fluss Río Paraná führt. Bei einer Höhe von 78 Metern formen sich in meinem Kopf die wildesten Abseilmultis zu einem nervenkitzelnden T5-Traum-Cache. Wobei dies bei der Verkehrsbelastung schnell zum Alptraum werden würde. Das Bauwerk verbindet die beiden Städte Ciudad del Este in Paraguay mit Foz do Iguaçu in Brasilien. Am anderen Ende der Brücke erfolgt die Einreise inklusive des ersehnten Stempels für das Land Paraguay.

Ciudad del Este - Paraguay

Ciudad del Este (dt. Stadt des Ostens) ist die zweitgrößte Stadt Paraguays. Und wer mich kennt, der weiß: Ich liebe Großstädte, kann von Lärm, Gestank und Menschenmassen praktisch nicht genug bekommen. Ich bin hoch angespannt und konzentriert. Bloß nicht in einen der gigantischen Gullis fallen oder überfahren werden. Das Stadtzentrum ist geprägt vom Handel. Wegen der vielen Stände ambulanter Händler hat sie den Charakter eines nicht endenden Basars. Ein Großteil des Handels basiert laut Wikipedia auf Schmuggel mit den Nachbarländern Argentinien und Brasilien. Auch werden sehr viele gefälschte Markenartikel verkauft. Handys gibt es praktisch im Vorbeifahren am Autofenster zu erwerben. Auf Shopping habe ich heute irgendwie keine Lust.

 

Mit der Gruppe wuseln wir uns immer weiter durch das Verkehrs- und Händlergetümmel. Wieder einmal bin ich froh, dass andere die Nerven haben, hier noch einen Cache aufzurufen und zum Zielort zu navigieren. Und wieder einmal schreit mir TicTacToe - Ricky ihren 90er Jahre Hit: "Und warum? Nur für den Kick, für den Augenblick?!" ins Innenohr. Das alles für einen Länderpunkt in der Statistik. Für ein Spiel. Augen zu und durch.

Ein Tradi, ein Event, ein Bauchklatscher

Während ich noch ums nackte Überleben in der Großstadt kämpfe, hält "icke2063" schon den paraguayanischen PETling in die Höhe. Na zum Glück. "Einschreiben, fotografieren, Field Note und dann bloß weg hier", denke ich. Aber da war ja auch noch ein Event. "Das überlebste nun auch noch!", ermuntere ich mich selbst.

Das Event an der sterilen Mall mit Klinikcharme ist eher ein kurzes Rumstehen mit Event-Logbuch. Der angekündigte Cacher aus den "will attend"-Einträgen im Listing erscheint nicht. Die Uhr steht sowieso schon wieder gefährlich auf Verspätung. Da alle das Prozedere am Grenzübergang noch einmal durchlaufen werden, treten wir den Rückweg an. Der "Last APE"-Stempel macht auch hier keine Probleme. Neben dem Ausreisestempel erhalte ich die wohl eindrucksvollste Unterschrift, die ich je gesehen habe in meinen Pass gekrakelt. Nun nur noch über die Brücke, denke ich. Die Anspannung fällt ein wenig von mir ab. Kurz darauf definiere ich meinen persönlichen Tiefpunkt der Reise sehr anschaulich und thematisch gut aufbereitet.

 

Beide Beine hinten, die vorderen Schneidezähne knapp vorm Bordstein, finde ich mich benommen auf einem Fußweg liegend wieder, den ich normalerweiße weniger gern berührt hätte, als die Affenmaske im Dschungel. Lennert87 stürmt mit beherrscht besorgt drein blickendem Gesicht auf mich zu. OMG, wie peinlich! Wann bitte habe ich dermaßen den Asphalt vermessen, wie am heutigen Tag? Ich muss 9 Jahre alt gewesen sein, als die letzte Schotterflechte in dieser Größe meine Knie verzierte. Hut ab, wie beherrscht die Jungs sind. Alle wollen helfen, keiner lacht! Ich wünschte sie würden es. Schließlich ist nix passiert. Im Vergleich zu Wombat-Mann komme ich mit ein paar Schrammen und einem schmutzigen Shirt davon. Wombat-Mann war im Hotel gestürzt, hatte sich dabei beinahe zwei Zähne ausgeschlagen und war nun seit zwei Tagen mit dicker, aufgeplatzter Lippe  auf Reisen. Trotzdem habe ich mich papp-satt und wünsche mich an einen absolut stillen, einsamen, sauberen Ort. Stattdessen stehen wir nach Überquerung der Brücke ewig am Grenzübergang und warten, bis alle die Formalitäten der Ein- und Ausreise erledigt haben.

 

In Brasilien zurück, biegt gerade der Bus um die Ecke. Dankbar falle ich auf meinen Sitzplatz. El-Capitano bietet mir seine Oberflächendesinfektion fürs Knie an. Ein Sprühstoß reicht, um mir entgültig die Tränen in die Augen zu treiben. Ganz Dexters Schwester Debora Morgan entsprechend, entfleucht mir ein "Verfickte Scheiße!".

Itaipú

Während der Bus die letzte Station unserer Reise ansteuert, kann ich mich mit feuchtem Klopapier grob wieder auf Vordermann bringen. Das prompt gespendete BUD aus Lennerts Rucksack ist besser als jedes "heile, heile Kätzchen". Als wir am Eingang des Besucherzentrums einfahren, bin ich schon fast wieder gut gelaunt.

 

Vor Ort gibt es Pass- und Taschenkontrollen. Jeder erhält die Eintrittskarte in Form eines Aufklebers aufgepappt und wir werden für die Besichtigungstour in Panorama-Busse verfrachtet. Eine hübsche Brasilianerin nimmt vorn im Bus Platz und erklärt während der Tour alles Wissenswerte rund um die Staumauer, über das Unternehmen, Zahlen, Fakten - alles auf portogiesisch und in Englisch. Der Fahrtwind und meine schwindende Aufnahmekapazität sorgen dabei für erhebliche Informationslücken. Da die Fakten zu diesem Bollwerk aber tatsächlich sehr interessant sind, empfehle ich das gute alte Wikipedia. Für ein paar visuelle Eindrücke, biete ich hier eine stark reduzierte Auswahl an Bildmaterial.

Mit der Besichtigung des imposanten Staudamms ist das Anfang vom Ende der Reise nah. Im Besucherzentrum wird noch extensiv das W-LAN genutzt. Wer Geld übrig hat, investiert dieses in Essen, Getränke und Souvenirs. Der "Elektro-Twizy", welcher als Ausstellungsstück dient, wird noch dreist mit einem Team LSD Kleber bestückt - in der Hoffnung, dass wir von der nächsten Reisegruppe ein Beweisfoto erhalten. Dann ist 15.30 Uhr unumgänglich Boarding Time. Alle rein in den gemütlichen Bus und ab nach Sao Paulo.

Heimreise, Heimreise, Heimreise

Noch ist die Stimmung im Bus ultramunter. Schon jetzt werden Pläne geschmiedet, wie man am Besten das Datenchaos aller Hobbyfotografen handeln könnte. Zudem beginnt Manwe mit einer lückenlosen Dokumentation aller vom Team-LSD gefundenen Caches. Mein Sitzplatz befindet sich im Auge eines Schwafeltornados. Mein Hirn schreit nach Ruhe und Einsamkeit. Stattdessen ist der Platz ein Magnet für alle, die noch Fragen haben oder einen Beitrag leisten wollen. Ich beneide die Aufnahmefähigkeit und den nicht endenden Elan der Anderen.

 

Plötzlich treten die Reiseleiter noch einmal in Aktion. Eine Art Gewinnspiel wird angepriesen. Wer jetzt gleich hier im Bus die nächste Reise bucht, der kann satte 100 Euro sparen und darf den Kugelschreiber des Reiseanbieters behalten. Die Touren klingen zugegeben alle verlockend. Für eine spontane Buchung ist jedoch weder mein Kalender, noch mein Konto flexibel genug. Ehrlich gesagt, finde ich diese Überrumplungstaktik auch eher daneben. Was solls - alles kann, nix muss. Während die anderen fleißig buchen und ausfüllen, sehne ich mich weiter nach Ruhe und Platz. Ich traue meinen Ohren und Augen kaum, als plötzlich auf dem matten Monitor im Bus ein Informationsfilm aus den 80er Jahren zum Thema Brasilien flimmert und der dazugehörige Sound laut aus den Boxen über uns schnarrt und brazzelt. Das ist jetzt nicht der Ernst, oder? However! Den anderen gefällt es. Ich habe eine Gruppenreise gebucht. Einatmen. Ausatmen.

 

Die Klimaanlage läuft auf Tiefkühlung. Der Werkstroll neben mir hat sich bereits gut mit meinem Nackenhörnchen arrangiert und sieht zumindest so aus, als würde er schlafen. Nur langsam kehrt im Bus Ruhe ein. Ein guter Zeitpunkt für alle, eine Pause zu machen. Essen fällt bei mir aus, denn für die paar Reais ist keine brauchbare Speise mehr zu bekommen. Die Jungs mag ich nicht anbetteln und in Anbetracht der langen Sitzerei und der Bustoilette verzichte ich lieber auf Nahrungszufuhr.

Bis auf einem Pinkelstopp mitten in der Walachei sitzen wir nun unentwegt auf unseren vier Buchstaben. Um mich herum - alles pennt. Ich schaffe es auch dieses Mal nicht, wenigstens für ein paar Stunden die REM-Phase zu erreichen. Und so holpert der Bus durch die Nacht in einen neuen Tag. Mittendrin ein schalfloses Muffmuff.

 

Ein müdes Dankeschön fürs Lesen, bald haben wir es alle geschafft.



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