11 GeoCacher auf dem Weg in die Ukraine

Nach monatelanger Vorbereitung, stundenlangen Recherchen und dutzenden Mails, welche den Google-Translator zum Glühen brachten, ist das Muffmuff-Mobil um 6.00 Uhr morgens startklar. Auch wenn wir uns aus Kapazitätsgründen kurzfristig für einen Modellwechsel entscheiden mussten. Lennert87 ist schon am Vortag aus Doppel-D angereist, um die Dosen und Biere unserer Home-Zone zu testen. Pünktlich wie die Feuerwehr, biegt er an der Startkoordinate ein. In Glauchau steigt die Käferlady zu, welche ebenfalls schon zuverlässig in den Startlöchern steht. Da der Käfermann heute am Flughafen aus dem fernen Orient zu uns stößt, brauchen wir für ihn nur Platz im Kofferraum. Herr Muffmuff peitscht das CM auf die Autobahn. Die WhatsApp-Gruppe "Mission-Tschernobyl“ verkündet, dass auch die anderen Teams ihr Gepäck verladen haben und auf dem Weg nach Frankfurt sind.

Gerade als wir uns über den flüssigen Verlauf der Fahrt freuen, funkt Team eugenkrf eine Vollsperrung bei Jena über den Äther. Da diese auch die folgenden Stunden anhält, kommt es zu ersten Schnappatmungen. Alternative Flüge werden gegoogelt und Was-wäre-wenn-Pläne geschmiedet. Nicht auszumalen, welche Folgen der Verlust zweier GeoCacher für Events mit Namen wie "Eleven Saxons in Slavutich“, "Eleven Saxons cross Belarus" oder "Eleven Saxons leave the Ukraine" haben würde. Ja, wir machen uns ernsthaft Sorgen! Während die Truppe aus dem Erzgebirge im Stau gefangen ist, widmen wir uns daher kurz vor dem Park&Fly noch den zwei hoch favorisierten Caches GC53WQH und GC4J7ER. Das beruhigt und hilft, denn auch das dritte Cache-Mobil rollt wieder! Kurz darauf biegen wir auf dem Gelände des Parkfuchses ein. Dort wartet seit ein paar Minuten die Formation aus Zwickau: der Werkstroll, das Drago Kartell und Frau mackloos. Da die Formalitäten soweit geklärt sind, werden wir zusammen mit dem Gepäck in den Bus gestapelt und zum Terminal 2 geshuttelt. Auch wenn wir unserem Zeitplan weit voraus sind: den Besuch im Streichelzoo von Hattersheim müssen wir dem Drago Kartell-Mann jedoch verwehren. Sein Zorn darüber ist intensiv aber nur von kurzer Dauer.

Auftakt-Event am FRAPORT

Umgehend beziehen wir das Eventgelände für unser GC70P4H "Mission Tschernobyl“. Dort treffen wir auf den braun gebrannten Käfermann, welcher seine Anreise aus der Wüste ebenfalls pünktlich und gesund überstanden hat. Zeit haben wir noch genug, so dass wir Horden von Kindern, gemessen in Dezibel entsprechen etwa 1.782 Stück, beim fröhlichen Schulausflug zum Mc Donalds Spielplatz auf dem FRAPORT zuhören dürfen. Zur Erleichterung der Reisegruppe treffen nun auch eugenkrf und Papa El Capitano ein. In absoluter Vollständigkeit können wir mit dem Event beginnen und zum ersten Mal das eigens dafür produziert Missions-Logbuch kreisen lassen. Es herrscht absolutes Stempel-Verbot, welches ehrfürchtig eingehalten wird. Sogar eine Mitarbeiterin des Flughafens besucht das Auftakt-Event, womit ich die Latte der Teilnehmer-Anzahl für Lennert87’s Folgeveranstaltungen ziemlich hoch lege.

GC70P4H - Mission Tschernobyl
GC70P4H - Mission Tschernobyl

Wir heben ab...

Die Zeit vergeht schon vor dem Flug wie im Flug, so dass wir kurz darauf mit unseren EU-Pässen durch die vollautomatisierte Kontrolle in Richtung Sicherheitscheck und Boarding marschieren. Der Sog am Duty Free ist so stark, dass er Frau mackloos einsaugt und wir erneut über die Umbenennung einiger Events nachdenken müssen. Inzwischen summen wir schon das Liedchen: "11 kleine GeoCacher, die konnten nicht verstehen, wozu braucht sie jetzt noch Parfüm, da waren‘s nur noch 10...". Im Flugzeug dann, nach Ablauf der regulären Startzeit wird die Stimmung allerdings besorgter. Die Shuttle-Busse hatten sich geleert, ohne eine Ute auszuspucken. Etwa 45 Minuten später rollt jedoch ein weiteres Fahrzeug an und liefert alle fehlenden Personen an der startklaren Boing ab. Wir fliegen vollzählig los. Auch wenn die Bauweise des Flugzeugs es beinahe verhindert hätte, kommen wir kurz vor der Landung noch in den Genuss eines weiteren Auftakt-Bieres. Trotz mehrmaliger laut und deutlich geäußerter Begeisterung für einen Plüsch-Panda aus dem Souvenir-Sortiment der UIA kommt keiner der Gruppen-Teilnehmer auf die Idee, mich vorab schon mal voll niedlich zu beschenken. Die Tränen über die Enttäuschung schlucke ich tapfer runter. Der Panda geht an die mächtige Ukrainerin mit der gesichtsabdeckenden Sonnenbrille drei Reihen vor uns. Im Bullauge tauchen die roten Adern der Hauptstadt auf. Die Landung bekommt der Kapitän des Luftschiffes ausgezeichnet hin.

One night in Kiew

Da wir scheinbar die einzigen sind, die in check-in-Gepäck investiert haben, kreisen unsere 11 Teile schon geduldig auf dem Gepäckband. Ich bin sehr erleichtert, als ich meinen Namen auf dem Schild eines Wartenden entdecke. Der Fahrer vom Hotel hat trotz Verspätung ausgeharrt. Ich bin ziemlich aufgeregt, denn nicht mal für mich selber habe ich je zuvor eine derartig individuelle Reise organisiert. Nun kaufen wir uns noch schnell ein paar Griwna am Schalter der Wechselstube. Dann werden wir in einen Bus und einen PKW verteilt und rollen der nächtlichen Großstadt entgegen. Eine Autobahn gibt es im gesamten Land nicht, dafür jedoch diese hell beleuchtete, fünfspurige Magistrale. Ich bin sehr erleichtert, von einem Mietwagen abgesehen zu haben.

Der Name des Hotels erklärt sich, als der Wagen davor anhält: eine Feuerwehr. Sehr passend finden das 2 von 11 Mitreisenden. Nicht ganz einfach ist der Vorgang an der Rezeption. Diese befindet sich im Treppenhaus auf Etage 2 des fünfstöckigen Hauses. Mit Gepäck und Personen versperren wir nun längere Zeit alle Fluchtwege. Ich versuche mich synchron mit dem Administrator hinter dem roten Tresen zu verständigen, Fragen der Reisegruppe zu beantworten und ein Restaurant für den Abend zu reservieren. Die Buchung eines Frühstücks für alle, scheitert fast an 5 fehlenden Äpfeln. Einen Frühstücksraum gibt es nicht, die Lieferung erfolgt aufs Zimmer.

Da der Tag inzwischen fortgeschritten ist, bleibt für großes "in Ruhe Ankommen" keine Zeit. Nur wenig später stapfen wir durch die Straßen von Kiew. Ziel ist das Mitlá – eine stark auf ukrainisch getrimmte Lokalität, die bereits beim Webauftritt nicht an folkloristischen Elementen spart. Nach etwa 500 Metern kommt die Frage in der Gruppe "Ist es noch weit?“. Ich komme nicht dazu, mit den Augen zu rollen, denn dazu ist das bolschoi-pompöse Umfeld viel zu überwältigend. An jeder Ampel wird der Countdown zum nächsten Grün genutzt, um die gigantischen Gebäude der Stadt zu bestaunen. Klein und dezent gibt es hier anscheinend nicht. Zwischen alten rußenden Ladas brettern fette Karossen über den holprigen Asphalt. Vor dem Mitlá wartet bereits eine Babuschka im Trachtengewand auf mich (Frau Niklas) und meine Reisegruppe. Sie nutzt alle ihre vorhandenen Deutsch-Vokabeln, um uns in die Räume der unterirdischen Gaststube zu führen. Eine lange Tafel ist vorbereitet und wie erwartet, wird kurz darauf Wodka und Fettbemme mit sauren Gurken gereicht. Der Wodka ist trüb und mit Meerrettich versetzt. Tapfer schlucken alle die lokale Spezialität. Um uns herum Folklore in hohen Dosen. Selbst an einer Live-Kombo fehlt es uns nicht. Bei zünftigen Balkan-Gesängen translaten wir uns durch die Speisekarte und probieren die Vielfalt der ukrainischen Küche – weitestgehend ehrliche Gerichte, mit preiswerten Zutaten und einem Fettgehalt nicht unter 45 Prozent. Vareniky gibt es mit dutzenden Füllungen, außerdem Bliny, Hlubsti, pickliges quietschsaures Gemüse und natürlich Bortsch. Das Meiste schmeckt lecker und macht ziemlich schnell satt. Traurigkeit erfüllt mich, als ich das frittierte Eis von Boeph sehe, selber aber leider schon bis zum Platzen gemästet bin. Das Mitlá stimmt uns perfekt auf die kommenden Tage ein.

Da wir nur so wenig Zeit für Kiew haben, brechen wir gut mit Speisen und Getränken gefüllt ins Nachtleben auf. Auf meiner bucket list steht auf alle Fälle der Maydan. Andere hingegen sind schon völlig heiß auf Dosen, wenden selbst beim Überqueren der mehrspurig und gut befahrenen Stadtstraße den Blick nicht von der Kompassnadel. Ich freu mich, denn so ist für jeden was dabei.

Am revolutionären Platz singt eine junge Frau mit Gänsehautstimme vor dem Unabhängigkeitsdenkmal zur sparsamen Gitarrenmusik "Feeling Good“ von Nina Simone. Unter besseren Bedingungen hätte man nicht am Maydan ankommen können. Ich bin begeistert von all dem. Alles ist protzig groß, alles hat Platz, nichts wirkt gedrängt. Die Bilder und Opfer der Maydan-Demonstrationen sind durch unzählige Gedenktafeln und Kerzen allgegenwärtig. Ukrainischer Nationalstolz tropft von den umstehenden Gebäuden und heroischen Denkmälern. Ein Motocross Biker erklimmt knatternd die Stufen zur Säule. Natürlich haben wir hier auch ein "Found it“ zu vermelden: GC1X887 - Overlooking Maidan.

Langsam machen wir uns auf den Rückweg, vorbei an Dutzenden niedlichen, kleinen Kiosken. Ich habe das Glück mit einem Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Noch bevor ich mich über meine hervorragende Vorbereitung in Sachen Fremdsprachen freuen kann, bemerke ich die 3 Komma 8, die der arme Kerl bereits im Turm hat. Zu spät, denn stolz habe ich ihm schon zu verstehen gegeben, dass ich ein wenig russisch spreche. Mnjamm, mnjamm wünscht er sich nun einen Big Mac von mir. Da ich leider weder den Burger noch das dazu benötigte Geld einstecken habe, übersetze ich meinen sehr guten Freunden die Situation, in der Hoffnung, etwas Hilfe zu erhalten. Doch diese verhalten sich eher wie ein amüsiertes Publikum und lassen mich finanziell in dieser Misere hängen. Mnjamm, mnjamm wird nun inniger und betont, wie leid es ihm tut, mich um den Big Mac bitten zu müssen. Mir bricht es das Herz aber die umstehenden Geizhälse bleiben stur. Mit einem mehrfachen "Ja nje ponimaju!" versuche ich nun zu behaupten, dass ich ihn doch nicht verstehe. Er sagt, dass er mich liebt und geht weiter zum Werkstroll, welcher sehr intensiv ein Schaufenster betrachtet. Da der aber nicht nur vorgibt, nichts zu verstehen, sondern gleich mit absoluter Gehörlosigkeit auffährt, erntet er nur ein "Fuck you!“.

 

Auf dem Shevschenko-Boulevard können wir noch ein paar der gelösten islander1988-Mysteries einsammeln. Inzwischen ist das Schlafzeitkonto bis zur Abholung in der Frühe bereits enorm geschrumpft. Speziell die Mädels klagen über den Verlust von Körperwärme. Und so beenden wir den ersten aufregenden Tag der Reise und schlüpfen erschöpft unter unsere 2 Personen-Bettdecken im Fire Inn. Vorher dealen wir an der Zimmertür noch mit Zahnpasta und bekommen erfolgreich eine Line an das Käferteam verkauft.



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Kommentare: 2
  • #1

    eugenkrf (Sonntag, 19 März 2017 15:22)

    Unseren ersten Tag hast du sehr schön zusammengefasst. Die vielen Eindrücke von diesem Tag können durch deinen Reisebericht wieder schön aufgefrischt werden. Beim lesen habe ich häufig schmunzeln müssen.

  • #2

    Der Drago Kartell Mann (Montag, 20 März 2017 06:46)

    Mit dem Taxt hast du den Nagel auf den Kopf getroffen! Sehr schön geschrieben.

    Vielen Dank fürs " zurück holen" in die schöne Zeit!