London - Urban Caching

Ein wenig verdutzt schauen wir schon, als wir uns 4.15 Uhr am Morgen vor dem Bed & Breadkfast des Flughafens Schönefeld sammeln und der Werkstroll seinen Reisebegleiter Hannibal präsentiert. Hannibal ist kein gut zu tragender Rucksack, sondern ein Trolley – was im Prinzip trotzdem gut passt. Er wird für 2 Tage unser kleiner ratternder Begleiter sein und dafür sorgen, dass die Witzeleien auf Kosten seines Besitzers in den beiden Tagen nicht ausgehen werden.

 

Im Gegensatz zur vom Werkstroll selbst gewählten Behinderung, tritt unsere Boeph in einer höheren Schwierigkeitskategorie in den Kurztrip-Ring. Mit einer am Vortag frisch gebrochenen Zehe und sprichwörtlich umwerfend gefärbten Haaren, steht auch sie, wie immer bestens gelaunt und pünktlich in den Startlöchern.

 

Voll Tatendrang brechen wir auf zum McParking. Der Ablauf dort klappt tadellos, sodass wir pünktlich am gut gefüllten Terminal ankommen. Mit unseren selbstgedruckten Boarding Pässen von Ryan Air irren wir etwas unkoordiniert durch die Gebäude, um zielsicher durch die Sicherheitskontrolle zu gehen, die am weitesten von unserem Gate entfernt ist. Danach fehlt ein zu groß geratenes Duschbad in Hannibals Inventar. Damit nicht genug, befindet ein Service-Mitarbeiter, dass Hannibal nicht mit zu uns Passagieren in den Flieger steigen darf. Mit einem Aufkleber versehen, wandert das Rollköfferchen lieblos auf einen Anhänger, später in den großen, kalten Frachtraum des Luftschiffes.

Der Flug im sparsam und betont preiswert gestalteten Inneren des Ryan Air Fliegers vergeht schnell. Die Verkaufsshow der Flugbegleiter beginnt schon knapp nach dem der Vogel die Startbahn verlassen hat. Sandwiches, Gewinnspiellose sowie literweise Parfum können erstanden werden. Weil das Klatschen nach geglückter Landung bei den Passagieren nicht mehr im Trend liegt, ertönt eine laute TaTa TaTaaa-Fanfahre als wir die Landebahn berühren und dem Flughafen-Gebäude des Stansted-Airport entgegen rollen.

 

Auf dem Weg zum Stansted Express sind wir wieder vollzählig, der Troll mit seinem ratternden Trolley ist nie zu überhören und kann somit nicht verloren gehen. Alle 10 Minuten fährt eine der Bahnen in Richtung London. Der Anschluss ist top. Die Tickets hatte Frau Muffmuff bereits vorher online gebucht, ausgedruckt und ja: laminiert. An der Liverpool Station mitten im Zentrum spuckt der Zug uns zusammen mit hunderten anderen Fahrgästen aus. Der Bahnhof gleicht einem Ameisenhügel und bereitet uns auf das Getümmel in der Großstadt vor.

Die von der Zeitumstellung geschenkte Stunde wollen wir nicht vergeuden. Der Cache-Leader für die nächsten beiden Tage ist Lennert87. Die Augen starr aufs Handy gerichtet, ist bereits der erste Virtual anvisiert. GCK63N - Finsbury Circus ist ein winziger, kreisrunder Park inmitten mächtiger Gebäude. Riesige Platanen zieren die kleine grüne Insel. Die Sommerhitze lässt jedoch an vielen Stellen intensiven Pisse-Geruch aufsteigen, sodass man nicht wirklich von einer Oase sprechen möchte. Der gesuchte Brunnen und die geforderten Informationen sind rasch ausfindig gemacht. Der Park dient außerdem all denen als Umkleidekabine, die dem Sommerwetter Londons nicht über den Weg getraut hatten.

 

Anschließend üben wir weiterhin, wie man sich im linksorientierten Straßenverkehr der britischen Metropole fortbewegt. Ampeln dienen den Fußgängern nur zur groben, unverbindlichen Information. Auch wenn die Blickrichtung bereits schriftlich auf dem Asphalt vorgeschrieben ist, schauen wir generell in gewohnter Manier nach herannahenden Fahrzeugen. Im von Hochhäusern und Banken geprägten Stadtteil „City of London“ ist der nächste Fund der Mysterie GC1T9ZV  - RSA sowie ein weiterer Virtual GC5E4B - Catastrophe, Calamity, Cataclysm Part 2. Gut gelaunt, geht es weiter am Flussufer entlang. Die Silhouette der Stadt auf der anderen Seite ist wahrlich imposant und von uns Kleinstädtern durchaus als Moloch zu empfinden.

Den Tradi GC37D9X – London Bridge müssen wir schweren Herzens mit einem DNF verlassen. Zwar finden wir das vorgesehene Versteck, die Filmdose ist leider abhandengekommen. Der Blick von der Brücke entschädigt. Nach dem erst kürzlich erfolgten Anschlag sind die Fußwege auf der Brücke durch Leitblanken und an allen 4 Zugängen mit schweren Pollern geschützt. Sonst ist überraschender Weise nichts übrig geblieben, was an die Bluttaten der verblendeten Religionsfanatiker erinnert. Keine Blumen, keine Kerzen, keine Gedenktafeln.

Etwas mehr Spannung kommt bei der Bergung des Tradis GC214CT - Under the boardwalk (SE1, London) auf. Mit seiner schönen D4/T4,5er Wertung lockt er uns ans Ufer der Themse unter eine Bahnbrücke. Um der Wertung gerecht zu werden, haben wir uns genau den richtigen Gezeiten-Stand des Flusses ausgewählt. Zwar führt eine Treppe hinab, doch tückische Wellen klatschen oft so unvermittelt ans Ufer, dass ein trockenes Zurückweichen unmöglich ist. Zum Freiwilligen wird Lennert87 bestimmt. Doch Herr Muffmuff ist unhaltbar und steht alsbald barfuß und in Schlüppern auf den glitschigen Stufen.

GC214CT - Under the boardwalk (SE1, London)
GC214CT - Under the boardwalk (SE1, London)

Frau Muffmuff ist hin und her gerissen zwischen der Sorge um den geliebten Gatten und der Angst vor einem frustrierenden DNF. Waghalsig riskiert Herr Muffmuff den Schritt auf den Pömpel in der braunen Brühe. Ausreichend Beifall ist ihm dafür gewiss. Schon hält er das gesuchte Beutelchen in den Händen. Die Sorge um den Ehemann verfliegt mit Signierung des Logbuches. Am Ende des Cache-Besuches haben alle in der Gruppe mindestens einen feuchten Gruß der Themse abbekommen. Herr Muffmuff wird als Held des Tages gefeiert und ihm werden zahlreiche Biere zur Belohnung versprochen.

Am Tower of London gibt es an einem der Foodtrucks das wohl bisher teuerste aber auch unglaublich leckere Softeis in einer Schokowaffel. 3,50 £ pro Portion sind ein köstliches Schnäppchen im Vergleich zu den 35 €, die der Eintritt zum Tower kostet. Die erste Pause nach zahlreichen Schritten tut gut. Das Rattern des Trolleys Hannibal verstummt für einen Moment.

Weil Pause machen in London überall gut möglich ist, kommen wir gerade mal bis zur Tower Brigde. Dort laden frisch gegrillte Burger, ein gemütlicher Biergarten sowie gut gekühlte und verlockend beschlagene „pints of beer“ zu erneutem Verweilen ein. Mit direktem Blick auf die außergewöhnliche Bridge, nehmen wir erneut das Tempo aus der Cache-Maschine. Das drückende Hochsommer-Wetter fordert derartige Pausen nahezu heraus. Bei der Burger-Bestellung ist der Name mit anzugeben. Hinter dem Pavillon stehen große Holzkohle Grills, die mit frischen Hand-made Burger-Paddys just in time bestückt werden. Ist der Burger fertig, ruft der Grillmeister lauthals den Namen des zukünftigen Besitzers in den Biergarten. In unserem Fall: „Two Burger for Mrs Weekend!“. Bier und Sommersonne sorgen für eine leicht angenaschte Stimmung – zumindest bei den Gelegenheitstrinkern wie Frau Muffmuff und dem Werkstroll.

Da Lennert87 schon langsam unruhig vor und zurück schaukelt, widmen wir uns wieder dem eigentlichen Ziel der Tour: Dosensuche. Beim GC4ZMV4 - Tower Bridge TB HOTEL bekommen wir ungefragt Hilfe von einem der Gärtner. „Looking for a Geocache?“ ruft er schon von weitem, als wir den ersten vorsichtigen Blick auf die Karte wagen. Dann folgt die komplette Wegbeschreibung zum TB-Hotel und wir brauchen nur noch loslaufen und loggen.

Die folgende Letterbox GC6GE3E - Gibbon's Rent ist die einzige Dose auf der ganzen Tour, die ein wirklich gut gestaltetes Final zu bieten hat. Die Favis, die an allen anderen Caches kleben sind eher der jeweiligen Location als auch der hohen Frequenz der Besuche zuzuordnen.

 

Weil unser Zug nach Queenborough abends an der Victoria Station abfährt, bewegen wir uns weiter am Themse Ufer entlang Richtung London Eye, Big Ben und Westminster. Auf dem Weg dorthin queren wir den Borough Market. Eine enge, unscheinbare Gasse, die ihren Duft nach Gegrilltem und Gesottenem bereits auf die Zufahrt der London Brigde entsendet. Schade, dass wir eben schon gegessen haben, denn hier präsentiert sich ein Leckerbissen neben dem anderen. Köstlichkeiten aus aller Welt gibt es hier an den eng gestellten Marktständen.

 

Beim Loggen des Tradis GC1XY1G - The Golden Hinde II (SE1, London) passt gerade noch ein Eiskaffee zwischen Softeis, Bier und Burger. Überhaupt ist es unmöglich, in London zu verhungern – vorausgesetzt ist ein gut gefüllter Geldbeutel. Schnäppchen sind in Zentrumsnähe eher nicht zu erwarten. Streetfood und Fastfood sind absolut im Trend.

GC4XERM - Hay's Galleria
GC4XERM - Hay's Galleria

Am GC4XERM - Hay's Galleria gibt Frau Muffmuff wirklich alles, um den kleinen Fiesling aus den Wasserfontänen des Brunnens zu zaubern. Sicher erzeugte unsere Gruppe aus 6 Geocachern und einem Rollkoffer ein witziges Bild, während ihrer Bemühungen, dem Wasserspiel auszuweichen. Ohne Logeintrag aber pitschnass geben wir hier nach langer Suche auf.

Auf unserem weiteren Weg finden wir einfachere Tradis. Meist sind diese nicht sonderlich gut gepflegt, die Logbücher voll oder die Location nicht sonderlich verlockend. Während die urbane Cacherei nicht unser Ding ist, lässt sich Lennert87 von keiner Dose abhalten. In Boephs Gesicht kann man mittlerweile deutlich die Schmerzen ablesen, die von der lädierten Fußzehe ausgehen. Ohne einen Mucks schlägt sie sich gewohnt tapfer. Die Dichte der Passanten nimmt rund um das London Eye und den Big Ben erheblich zu. Die Chancen, mit der Zehe irgendwo anzuecken oder einen Fußtritt abzubekommen ebenfalls. Auch Hannibal schwächelt während der anstrengenden Sightseeing Tour. Hin und wieder fällt er scheppernd zu Boden. Besorgt prüft der Werkstroll regelmäßig den Zustand der Bereifung. Der Ausfall eines der Räder hätte für den Rest der Tour verheerende Auswirkungen auf die Laune der gesamten Reisegruppe. Daher versuchen wir nun, etwas Abstand zu diesem Hot Spot zu gewinnen und in der inzwischen unerträglichen Hitze und dem Lärm der Stadt den Bahnhof ausfindig zu machen. Nur Lennert87 sammelt hier und da noch Infos für Virtuals und Earthcaches, wofür wir ihm sehr dankbar sind.

Zum Abendessen gibt es Zero Nudels – lecker und chön charf. Die Quittung beinhaltet hier den Zugangscode für die Restauranttoilette und der Esstisch verfügt über Ladestationen für alle Cache-Handys der Gruppe.
Müde und satt schaffen wir es rechtzeitig zum Bahnhof. Dieser ist so groß wie ein Flughafen. Wir Muffmuffs sind im Umgang mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht sonderlich bewandert. Es braucht einige Anläufe, um Tickets zu besorgen und den richtigen Bahnsteig zu ermitteln. Am Ende geht alles glatt. Wir sitzen im fast lautlos dahinschwebenden und gut klimatisierten Zug nach Sittingbourne/Queenborough. Nur wenige Haltestellen später ist von London nicht mehr viel zu sehen. Die Landschaft, die am Zugfenster vorbei fliegt, wird wieder grün und die Ortschaften kleiner. Je näher wir Queenborough kommen, umso weniger Menschen sitzen in der Bahn. Auch das Umsteigen in den Anschlusszug klappt perfekt. Boeph kann inzwischen kaum noch auftreten, lässt sich jedoch keine Hilfe aufschwatzen.

Höchste Zeit für eine geruhsame Nacht im Bed & Breakfast „Queen Phillippa“. Dieses liegt glücklicher Weise nur etwa 200 Meter vom Bahnhof entfernt. Die Gastgeber sind allerliebst und die Zimmer ebenso. Noch bevor das Lokal schließt, können Die Muffmuffs, der Werkstroll und Lennert87 ein paar der einheimischen Biere genießen, die der Wirt gut gekühlt im Biergarten präsentiert. Es fühlt sich an, als wären wir bereits mehrere Tage auf Reisen. Die Anzahl der Eindrücke die auf uns eingeprasselt sind, sprengen das Aufnahmevolumen für einen Tag.




Kommentar schreiben

Kommentare: 0