Auf der X-Pilot zu den Red Sand Forts

Pünktlich und halbwegs munter stehen 7 Uhr alle im Frühstücksraum der „Queen Phillippa“. Die Speisekarte ist üppig, doch keiner traut sich ran an baked beans, hash browns oder sausages. Bescheiden fällt die Wahl auf scrambled eggs oder Omeletts. Boeph bekommt Cerials in Form einer klein skalierten Kelloggs Cornflakes Packung. Draußen bereitet sich die Sonne bereits auf einen weiteren hochsommerlichen Tag vor. Bis zum All Tide Landing  sind es nur wenige hundert Meter.

Das verschlafene Örtchen Queenborough präsentiert die englische Kleinstadt genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Kleine Häuschen, eng aneinander gereiht. Hier und da ein Mini-Lädchen und gemessen an der Einwohnerzahl ausreichend Pubs und kleine Cafés.

Während wir an der Anker-Eisenstatue noch darüber nachsinnen, welches Lebewesen dort wohl eine derart große Kackwurst hinterlassen haben könnte, begrüßt uns auch schon Martin, der Chef der X-Pilot. Mit ihm zusammen gehen wir den langen Steg hinaus bis zum Boot. Captain Alan stellt sich uns vor. Sein Dialekt lässt uns zustimmend nicken, jedoch nicht allzu viel verstehen. Auch der erste Matrose an Board – Mark – hält seine Rede zu den Sicherheitsanweisungen, ohne das viel davon bei der Reisegruppe ankommt. Wir registrieren, dass wir keine Drogen nehmen dürfen und nicht unbedingt von Bord fallen sollen. Das bekommen wir sicher hin.

In der Kombüse pfeift der Teekessel. Tuckernd setzt sich der alte Schlepper in Bewegung. Der begehrte LP-Cache GC1DKZ6 - Grain Tower Battery reclaimed bleibt uns leider verwehrt, da das Schiff dort nicht anlegen darf. Um auf Ebbe zu warten und selbst zum Turm zu laufen, fehlt uns leider die Zeit – das typische Manko an einem Kurztripp. Der Grain Tower ist die Ruine eines Geschützturms in der Mündung des River Medway vor der Küste der Isle of Grain. Der Turm ist drei Stockwerke hoch. Seine Mauern aus Granitwerkstein sind 3,6 Meter dick. Mehr Infos zum Turm finden sich auf Wikipedia.

Grain Tower
Grain Tower

Wir passieren einen weiteren Lost Place, dem man besser nicht zu nahe kommen sollte. 1944 lief eine Meile vor dem Ort Sheerness, die mit Munition beladene amerikanische USS Richard Montgomery auf Grund und ging unter. Wegen der noch heute bestehenden Explosionsgefahr wurde das Wrack nie geborgen. Umringt von Warn-Bojen schauen an der Stelle nur noch 3 Masten des knapp 130 Meter langen Schiffes aus dem Wasser. Ein paar Kormorane und Möwen stören sich nicht an der explosiven Ladung, die knapp 15 Meter unter ihnen im Rumpf des zerbrochenen Frachters als Zeitbombe vor sich hin tickt. Die mit Guano bekleckerten Masten geben einen guten Brutplatz ab.

Wrack der USS Richard Montgomery
Wrack der USS Richard Montgomery

Am Horizont sind bereits die Türme des Red Sand Forts zu erahnen. Uns bleibt jedoch genug Zeit, die X-Pilot zu erkunden, auf Deck die Sonne zu genießen, dabei Seehunde zu beobachten und natürlich am Bug des Schiffes das Titanic Motiv originalgetreu nachtzustellen. Hin und wieder kommt der erste Matrose Mark ans Oberdeck und hält ausschweifende Vorträge. Immer wieder versuche ich, ihm zu verstehen zu geben, dass ich das Gesprochene ganz schlecht verstehen kann. Irgendwann gebe ich nur noch mein bestes, nicke meist und sage sowas wie „Ah!“ oder „Really?“ in Abwechslung mit „Interessting!“. Dann übernimmt er das Steuerrad, während Captain Alan die Regenbogenpresse studiert und ein Nickerchen hält. Das sonore Brummen des Diesels und das Rauschen der Wellen hat einen hohen Entspannungsfaktor – das perfekte Kontrastprogramm zum vorhergehenden Tag.

Glücklicherweise können kurz vor Erreichen der Türme ein paar Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden, die das Signieren des Logbuches von GC1DVNY - Red Sands Fort stark in Gefahr gebracht hatten. Laut Chef der X-Pilot war es nicht vorgesehen, die entsprechende Plattform anzusteuern und zu betreten. Der Turm ist in Privatbesitz. Fast im selben Satz erfahren wir, dass wir auch eine Besichtigung des Turminneren hätten buchen können – na toll. Sicher ergibt sich zeitnah die Möglichkeit, die Tour zu wiederholen. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit und strengen Gelobens, keine Bilder auf dem englischen Gesichtsbuch zu veröffentlichen, legt Captain Alan sanft an der Plattform an.

zum FB-Live-Video ...

Aufgeregt hüpfen wir von Bord und haben nun das eigentliche Ziel unserer Reise erreicht. Der Anblick ist gigantisch. Azurit farbener Himmel und das blaugrüne, klare Wasser der Nordsee geben einen eindrucksvollen Kontrast, zu den rostigen Giganten. Die Brücken zwischen den Türmen sind inzwischen fast alle demontiert und versenkt, um Unfälle zu vermeiden. Hin und wieder dient die Kulisse Filmemachern. Sonst mag sich in England niemand so recht für deren Erhalt stark machen. Ganz nebenbei signieren wir das Logbuch und sind uns sicher, dass dieser Cache einen weiteren Meilenstein in unserer Cacher-Karriere darstellt.

Mark, der mit auf die Plattform gekommen ist, erzählt unentwegt Geschichten zu den Türmen, die ich leider nur in Teilen verstehe. Sie handeln von verrückten Deutschen, die nackt über Slacklines laufen, die zwischen die Türme gespannt sind, von Falken die Möven fressen oder von schwedischen Zombiefilmen. Zum Glück schießen die anderen in der Zeit zahlreiche Fotos, sodass wir am Ende genügend Material haben, um den Blog mit Bildern
auszustatten.

Nach einer halben Stunde nähert sich die X-Pilot, um uns wieder an Bord zu holen. Großzügig drehen wir noch einige Runden um das Fort und kreuzen zwischen den Türmen hindurch. An Deck sind alle Handys auf Dauerfeuer geschaltet und immer wieder schallt es „Ist das geil!“ oder „Genial, einfach genial!“. Es freut mich, dass sich die Vorbereitungen der letzten Wochen gelohnt haben. Alle sind schwer begeistert. Der Werkstroll posiert in den Klamotten der LPKINGZ und bekommt perfekte Motive. Der Weg, das Geld und die Zeit haben sich gelohnt. Der sogenannte Gummipunkt ist hier nur Nebensache.

Wie schon bei Tschernobyl ist bei diesem Cache der Weg das Ziel. Na gut: es ist außerdem ein T5. Und für alle Statistiker: der Cache wurde bereits 2008 platziert und vermeldet bisher nur 33 Funde bei über 100 Beobachtern. Wir waren da! Mehr zu den Maunsell Forts gibt es bei Wikipedia.

Nach etwa einer Stunde Aufenthalt an diesem bizarren Ort hält Captain Alan wieder Kurs auf den Heimathafen. Zwischen den kleiner werdenden Türmen taucht, wie zum Abschied, ein Seehund auf und schaut der X-Pilot nach. Nun haben wir Zeit, auf dem Sonnendeck zu faulenzen und unsere Pigmente über die Maßen der UV-Strahlung auszusetzen. Der erfrischende Wind vom Vormittag kühlt nicht mehr. Die Wellen sind etwas höher aber noch nicht in der Lage eine Seekrankheit zu erzeugen. Gegen 14 Uhr erreichen wir die All Tide Landing. Matrose Mark weißt uns nochmal mit Nachdruck darauf hin, dass wir Werbung für die X-Pilot machen sollen – ich denke, den Anforderungen dürfte ich mit dem Blog gerecht geworden sein. Wir verabschieden uns vom liebenswerten Captain Alan und nicken lächelnd zu den von ihm gesprochenen Worten.

Captain der X-Pilot: Alan
Captain der X-Pilot: Alan

Uns bleibt noch etwas Zeit, so dass wir im Biergarten des Flying Dutchman unsere Mittagspause abhalten. Frau Muffmuff hat dabei speziell die schlafende, milchkaffeefarbene Katze unter dem Motorrad sowie das Schild überzeugt, auf dem steht: „Das Personal des Flying Dutchman ist dazu angehalten, Kindern den Kopf abzureißen, die sich an den Pflanzen des Gartens vergreifen!“. Im Hinblick auf den akkurat und liebevoll gestalteten Garten eine sehr nachvollziehbare Warnung. Wir verteilen uns auf die wenigen schattigen Plätze. Werkstroll und Hannibal sitzen separat am Nachbartisch. Erfrischendes Bier zischt regelrecht in der Mittagshitze. Das Essen – Pie of the day ist leckerst, auch wenn der Einbehalt der VISA-Card am Kneipen-Tresen viel Vertrauen und etwas Mut erfordert – zumal eine beliebige Abbuchung per NFC jederzeit problemlos möglich ist. Die drückende Hitze macht uns alle lahm und faul. Irgendwann müssen wir aufstehen, um den Zug nach London zu erwischen.

Ein paar obligatorische Tradis sammeln wir auch in Queenborough ein. Die Bahn ist auf die Minute pünktlich. Kaum hat sich der Zug in Bewegung gesetzt, fällt das Drago Kartell beneidenswerter Weise in seinen gewohnten Reisetiefschlaf. Hin und wieder stupst Frau Muffmuff den Drago-Mann zurück in den Sitz, bevor dieser in den Gang des Zuges fallen kann. Als sich die Türen der eastwestern-Bahn öffnen, ist der Trubel der Stadt zurück. Aus Rücksicht auf Boephs lädierten Fuß, entschließt sich das Kartell für die schonende Reise zur Liverpool-Station per Metro. Die Muffmuffs, Lennert87, Werkstroll und Hannibal sind einigermaßen bereit für noch mehr Sightseeing, mehr Virtuals, mehr Tradis und Earthcaches sowie weitere zahlreiche Schritte auf  dem entsprechenden Zähler
der Smartwatch.

Wieder geht es durch die Hochhausschluchten der Stadt. Menschenschwärme und stickige Hitze lassen uns Muffmuffs schnell an der Idee zweifeln. Unbeirrt zieht Sir Lennert uns durch seine Pocket Query noch einmal quer durch London. Mit unermesslichem Elan ist er immer etwa 50 Meter voraus. Selbst, als wir uns einmal verstecken, schaut er sich zwar kurz suchend um, verfolgt dann aber das Ziel auf seiner Karte stoisch weiter.

Die Webcam GC6F12 – London – Beatles Abbey Road, die ich mir zum Ziel gesetzt hatte, besuchen wir leider nicht – ein Kurztrip bleibt eben ein Kurztrip. Wir ziehen vorbei am Buckingham Palace dem Wohnsitz der Queen, am Trafalger Sqare, am Royal Courts of Justice und endlich auch am wohl schmackhaftesten Virtual Londons, dem GC4E4B - 16th Century Pub (Central London). Ein Pub, dessen Zugang stark an Harry Potters Winkelgasse erinnert. Nur liegt es uns fern, eine Eule zu kaufen. Der Staub der Stadt hat eher durstig und hungrig gemacht, so dass der uralte, gemütliche Pup gerade recht kommt, um die Reserven ein letztes Mal aufzufüllen. Im Separee genießen wir ein kühles, leichtes englisches Bier und ein paar gegrillte Sandwiches.

Lennert87 leitet uns weiterhin durch die Stadt. Die schier unendliche Verzweigung großer Straßen mit unzähligen imposanten Bauwerken, der Linksverkehr, die dicke Luft und abertausend Schritte auf dem Zähler können ein alterndes Vorstadt-Muffmuff ganz schön schlauchen. Gut, dass der Nahverkehr an diesem Tag so gut funktioniert.

Der nächste Zug nach Stansted steht schon am Bahnsteig und ist wenige Minuten später bereit zur Abfahrt. Ein permanent raschelnder und geräuschvoll seinen Rotz einsaugender Fahrgast einen Sitzplatz hinter uns, testet unserer Nervengeflecht bis auf die letzten Reserven. Doch auch das geht vorüber. Einigermaßen schnell steigen wir hinter das 24x7 Taxi-Bestellsystem am Flughafen. Es funktioniert perfekt. Nun ereilt uns auch noch das rasante Fahrerlebnis in einem linksgesteuerten Taxi. Die Ernüchterung folgt kurz darauf im RAMADA – ein Hotel, vor dem hier ausdrücklich gewarnt sei. 40° Celsius und hohe Luftfeuchte im Zimmer schlagen uns wie eine Wand entgegen. Fenster, die nicht geöffnet werden können, mäßige Sauberkeit, eine fehlende Bettdecke lassen uns von der Nacht nicht viel erwarten. Ein Kühlwasser-See unter der AirCondition am Morgen macht dafür schnell wieder munter und unter der Dusche kommen Tierfreunde auch noch auf ihre Kosten.

Pünktlich stehen die am Vorabend telefonisch bestellten Taxi-Fahrer am Hoteleingang und ermöglichen uns die Flucht. Der Flughafen ist wahnsinnig überfüllt, doch die Organisation bringt alle Reisenden zügig voran. Ich werde für den Nacktscanner vorgeschlagen und zusätzlich vor allen anderen Reisenden unsittlich an allen Körperteilen berührt. Bei Herrn Muffmuff sorgt nur eine fehlverpackte Sonnencreme für genauere Untersuchungen im Sicherheitscheck. Im Duty-Free-Labyrinth verballern wir unsere letzten Pfund, bevor wir den Heimflug antreten.


Zwei Tage voller Eindrücke, die locker auch für eine Woche gereicht hätten, gehen zu Ende. Hannibal hat durchgehalten und wir sind gespannt, wohin uns das Hobby als nächstes verschlägt.

Danke an die Reisegruppe!

Es war eine sehr lustige Zeit mit Euch.

Was machen wir eigentlich als nächstes?

 

Danke auch an alle Leser des Blogs. Wie immer freuen wir uns über Feedback.



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Kommentare: 3
  • #1

    Werkstroll (Samstag, 08 Juli 2017 12:33)

    Auch ich muss mich bedanken für diesen Megageilen Trip.

    Es hat wieder sehr viel Spass gemacht. Auch wenn ich gerade das Rattern meines Hanibal vermisse.

    Der Blog lebt das Erlebte nocheinmal wunderbar auf, und brachte mich hier und da zum lauthalsen Lachen.

    Vielen Dank an Die Muffmuffs fürs organisieren und schreiben dieses Bloges.

    So wo geht es nun als nächstes hin.......

    Grüße
    Metti

  • #2

    Frau Muffmuff (Samstag, 08 Juli 2017 15:09)

    Auch, wenn es ein EC ist, vielleicht ja hier hin:
    https://coord.info/GC2NTRK

    Wird dann aber was längeres...

  • #3

    DerDragoKartellMann (Freitag, 28 Juli 2017 12:57)

    Heute habe ich den Bericht bereits zum dritten mal gelesen. sehr schön geschrieben, vielen dank fürs Festhalten der Zeit!